Säuglinge und Kleinkinder in der Kurzzeitunterbringung - ein familienintegratives Angebot, Kinder- und Jugendhilfeverbund Berlin-Brandenburg/KJSH-Stiftung
Ausgangspunkt für die Konzeption der Einrichtung bilden akute Krisensituationen, in denen der Schutz der Kinder über ambulante Hilfen nicht mehr gewährleistet werden kann. In solchen Situationen setzt die Entscheidung über eine Inobhutnahme eine differenzierte Klärung der Gesamtsituation voraus, für die in der Regel kaum ausreichend Zeit vorhanden ist. Zugleich können solche Krisen ein Zusammenleben der Familie temporär verhindern, der Handlungsdruck in dieser Situation darf aber nicht zu einer endgültigen Entscheidung und entsprechenden Schritten führen, die später nur schwer rückgängig gemacht werden können. Im Mittelpunkt muss immer das Wohl des Kindes und damit immer auch die Vermeidung weiterer (Re)Traumatisierungen durch wiederholte Beziehungsabbrüche im Kontext von Inobhutnahmen und Rückführungen stehen.
Voraussetzung für die Aufnahme in der Einrichtung ist eine erkennbare Bereitschaft aufseiten der Sorgeberechtigten, die vorliegende Situation zu bearbeiten und die bestehenden Beziehungen untereinander neu zu gestalten. Das Vorliegen aktivierbarer Ressourcen, die der individuellen Entwicklung des Kindes förderlich sind und zur Stärkung der Erziehungskompetenz der Eltern beitragen, wie etwa tragfähige Beziehungen der Eltern und Kinder zu weiteren Familienmitgliedern, bildet eine weitere Säule auf der die Arbeit in der Einrichtung nach § 34 SGB VIII aufbaut. Dabei ist Aufnahmehürde deutlich niedrigschwelliger als das bei einer Mutter-Vater-Kind-Unterbringung der Fall ist. Die Eltern bleiben in maximaler Verantwortung für das Kind und die fachliche Arbeit orientiert sich - soweit möglich - an der Lebenswelt und dem bestehenden Wertesystem der Eltern.
Die individuelle Gestaltung der Zusammenarbeit wird zu Beginn der Hilfe von Eltern, Jugendamt und Einrichtung im Hilfeplan festgelegt. Darüber hinaus und in Fortführung des Hilfeplans erstellen die Fachkräfte mit den Eltern ebenfalls gleich zu Beginn der Hilfe eine Kooperationsvereinbarung – hierüber wird die Umsetzung der Aufträge aus dem Hilfeplan wöchentlich besprochen und ggf. konkretisierend angepasst. Über das gemeinsame Leben mit weiteren Familien in der Einrichtung können die Eltern auch wechselseitig voneinander lernen; die Fachkräfte unterstützen und leiten diese Prozesse über reflektierende Gespräche. Dabei steht der Schutz der Kinder immer im Vordergrund der Arbeit. Kann dieser nicht gewährleistet werden, können die Eltern ihren Gaststatus verlieren. Unter der Voraussetzung der Zustimmung der am Hilfeprozess Beteiligten können die Kinder so lange in der Einrichtung verbleiben, bis eine passende Lösung für die weitere Hilfe gefunden ist. Auch in einem solchen Fall bleibt aber der Anspruch an eine intensive Kooperation mit der Herkunftsfamilie bestehen– neue Formen der Zusammenarbeit müssen dann gefunden werden. So kann bspw. eine weitere wichtige Bezugsperson des Kindes in der Einrichtung aufgenommen werden oder die Eltern an der Tagesstruktur der Einrichtung teilhaben, sofern dies als förderlich für das Kindeswohl eingeschätzt wird. Ist eine Trennung des Kindes von seiner Herkunftsfamilie unter dem Gesichtspunkt des Kindeswohls unausweichlich, wird ein gemeinsam mit den Eltern gestalteter bestmöglicher Übergang für das Kind in die weiterführende Hilfe angestrebt.
Finanzierung: § 27 iVm § 34 SGB VIII
Evaluation:
Eine hausinterne Evaluationvon 32 vom Träger ausgesprochenen Empfehlungen für die Zukunft der Familien (32 Familien mit insgesamt 52 Kindern) hat gezeigt, dass nur in 6 Hilfeverläufen eine Trennung von Kind und Eltern notwendig wurde und von diesen 6 lediglich in einem Fall keine Begleitung des Übergangs in eine Folgeeinrichtung erfolgen konnte, sondern eine Inobhutnahme durch das Jugendamt notwendig wurde. In allen anderen Fällen konnten individuelle Lösungen zur weiteren Unterstützung der Familien gefunden werden, in 2 Hilfeverläufen konnten die Familien sogar soweit von ihrem familiären Netzwerk profitieren, dass keine weiteren HzE-Maßnahmen erforderlich waren. Aus Trägersicht stellt der elternaktivierende und familienintegrative Ansatz ein erfolgsversprechendes Modell dar, um plötzliche Beziehungsabbrüche und längere Trennungen der Kinder von ihren primären Bezugspersonen zu verhindern.
Frederik Näher, Geschäftsführer
Kinder- und Jugendhilfeverbund (KJHV) Berlin-Brandenburg/KJSH Stiftung (Stiftung für Kinder-, Jugend- und Soziale Hilfen), Mitte, Berlin
Käthe-Niederkirchner-Str. 26
10407 Berlin
Telefon: 030/ 613907-26
Fax: 030 / 4985579396
E-Mail: f.naeher@kjhv.de
In Heft 9/2020 der Zeitschrift Das Jugendamt ist die Einrichtung von Frau Anneke Rieper vorgestellt worden.
In Heft 3/2020 der Zeitschrift Dialog Erziehungshilfe ist die Einrichtung im Kontext eines Tagungsberichts zum 15. Expertengespräch des Dialogforums "Bund trifft kommunale Praxis" vorgestellt worden.
Der familienintegrative und elternaktivierende Ansatz der Einrichtung kann in vielen Fällen die drohende Trennung von Kindern und Eltern vermeiden. Selbst wenn längerfristig eine Rückführung der Kinder nicht möglich wird, bildet er eine entscheidende Grundlage für den Erfolg anderer, weiterführender Hilfen.