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Zusammenführung

Zusammenführung der Leistungen aus den Hilfen zur Erziehung und der Eingliederungshilfe

Die Diskussionen um eine Zusammenführung der Leistungen für Kinder und Jugendliche mit und ohne Behinderung im SGB VIII werden seit mehreren Jahrzehnten geführt und in den Kinder- und Jugendberichten bereits seit 1990 immer wieder gefordert (vgl. z.B. Positionspapier der Bundesarbeitsgemeinschaft der Freien Wohlfahrtspflege 2015). Eine Zusammenführung entspräche ebenfalls dem Inklusionsleitbild der UN-Behindertenrechtskonvention.

Das Ziel einer solchen Zusammenführung liegt darin, strukturelle Barrieren abzubauen, die einem gleichberechtigten Zugang zu Teilhabeleistungen und Leistungen der Kinder- und Jugendhilfe für alle Kinder und Jugendlichen durch die Zuteilung in zwei Sozialgesetzbücher (§ 35 a SGB VIII und § 53 SGB XII) momentan noch im Wege stehen.

In der 18. Legislaturperiode hatten sich die Regierungsparteien – neben einer stärkeren Berücksichtigung der UN-Behindertenrechtskonvention bei politischen Entscheidungen (vgl. Koalitionsvertrag 18. LP, S. 77) – für eine Beseitigung der Schnittstellen zwischen den Sozialgesetzbüchern ausgesprochen, um Sicherungs- und Förderlücken zu vermeiden und um im Interesse von Eltern und Kindern mit Behinderungen, Leistungen möglichst wie aus einer Hand zur Verfügung stellen zu können (vgl. Koalitionsvertrag 18. LP, S. 55 und 78).

Mit dem BTHG ist ein wesentlicher Schritt dazu realisiert worden; die Reform des SGB VIII hin zu einem inklusiven Kinder- und Jugendhilferecht bedarf jedoch in der aktuellen Legislaturperiode eines neuen Anlaufs (s. dazu www.mitreden-mitgestalten.de ).

Damals wurde in der Fachwelt u.a. die Einführung eines neuen Leistungstatbestandes „Hilfen zur Entwicklung und Teilhabe“ oder auch „einheitlicher Tatbestand“ als Lösung für die Zusammenführung von HzE nach SGB VIII und Eingliederungshilfe nach SGB XII diskutiert. Jüngst greifen die Fachverbände des Deutschen Caritasverbandes die Diskussion dezidiert wieder auf und sprechen neutraler von einem „anspruchsbegründenden Tatbestand“ (s. Positionspapier der Fachverbände des Deutschen Caritasverbandes „Inklusive Lösung im SGB VIII“ 2019, S.5-9). Für die Verbindung der Leistungskataloge aus dem SGB VIII und der Eingliederungshilfe nach SGB XII machen die Fachverbände des Deutschen Caritasverbandes folgende konkreten Vorschläge:

  • „Die Formulierung des anspruchsbegründenden Tatbestands im § 27 SGB VIII hat sich bewährt und sollte daher Anknüpfungspunkt für eine Erweiterung der Vorschrift sein. Der Anspruch auf Teilhabeleistungen ist in die Norm zu integrieren, sodass ein in einer Norm ausgestalteter anspruchsbegründender Tatbestand entsteht, der Behinderung als ein (alternatives) Tatbestandselement neben anderen aufführt. Auch eine drohende Behinderung ist gleichberechtigt zu integrieren. Die Formulierung des Tatbestandselements der (drohenden) Behinderung sollte unmittelbar an § 2 SGB IX anknüpfen“ (S. 7).
  • „Die Fachverbände des Deutschen Caritasverbandes schlagen daher vor, dass in einem künftigen inklusiven SGB VIII auf die Norm, die den anspruchsbegründenden Tatbestand (wie auf S. 7 des genannten Papiers dargelegt, Anm. der Autorin) fasst, eine eigenständige Norm folgt, die regelt, dass junge Menschen, die zum berechtigten Personenkreis gehören, nach Maßgabe des individuellen Bedarfs Anspruch auf Teilhabeleistungen und Leistungen der Hilfe zur Erziehung haben. Beide Leistungskataloge werden durch eine solche Verklammerung miteinander verbunden, ohne dass eine Neufassung in §§ 28 ff. SGB VIII und in den Kapiteln 9, 10, 12, und 13 des 1. Teils des SGB IX gefassten Leistungskatalogs erforderlich würde.

Eine weitere und eigenständige Norm sollte den Anspruch der Personenberechtigten auf Hilfen zur Erziehung konstituieren, der gleichwertig neben dem Anspruch der jungen Menschen auf Hilfen zur Erziehung stehen muss.“ (S.9).

Damit wäre nicht nur die Frage nach der Anspruchsinhaberschaft  geklärt, sondern auch das SGB VIII im Sinne einer inklusiven Lösung zumindest im Feld der einzelfallbezogenen Leistungen ein deutliches Stück vorangetrieben.

Ob und inwieweit tatsächlich eine Novellierung des SGB VIII auch in Bezug auf eine Verbesserung der Schnittstellen zwischen den verschiedenen Sozialgesetzbüchern erfolgt, bleibt mindestens bis zur Vorlage eines neuen Referentenentwurfs zum SGB VIII im Jahr 2020 abzuwarten. 

Literaturangaben: 

Koalitionsvertrag der 18. Legislaturperiode „Deutschlands Zukunft gestalten“. Unter: https://www.cdu.de/sites/default/files/media/dokumente/koalitionsvertrag.pdf , zuletzt abgerufen: 07.08.2019

Positionspapier der Bundesarbeitsgemeinschaft der Freien Wohlfahrtshilfe „Leistungsrechtliche Zusammenführung der Leistungen für Kinder und Jugendliche mit und ohne Behinderung im Sozialgesetzbuch VIII“ 2015, 9 S.; unter: https://www.gemeinsam-einfach-machen.de/GEM/DE/AS/Umsetzung_BTHG/6_Sitzung/6_sitzung_stellungnahme_BAGFW.pdf?__blob=publicationFile&v=1; zuletzt abgerufen am 05.08.2019)

Positionspapier der Fachverbände des Deutschen Caritasverbandes „Inklusive Lösung im SGB VIII“ 2019; 19 S.; unter: https://www.bvke.de/stellungnahmen/positionspapier-inklusive-loesung-im-sgb-viii-73136131-a8b2-40cf-bf18-1b103c868099 ; zuletzt abgerufen am 05.08.2019)

Schönecker, Lydia (2017): Was sind Voraussetzungen für einen einheitlichen Tatbestand? Welche Stolperstellen und fachlichen Herausforderungen gibt es? Vortrag zum 2. Expertengespräch „Zusammenführung der Hilfen zur Erziehung und der Eingliederungshilfen im SGB VIII. Eine fachlich-inhaltliche Positionierung“ am 26. und 27. Oktober 2017 in Berlin, S. 41-48. Unter: https://jugendhilfe-inklusiv.de/dokumentation/termin/31768

Dokumentation der Ergebnisse des 2. Expertengesprächs „Zusammenführung der Hilfen zur Erziehung und der Eingliederungshilfen im SGB VIII. Eine fachlich-inhaltliche Positionierung“ am 26. und 27. Oktober 2017 in Berlin, 72 S.; unter: https://jugendhilfe-inklusiv.de/dokumentation/termin/31768