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Schulbegleitung

Unter Schulbegleitung  ist eine Leistung zu verstehen, bei der ein/e Schüler*in mit sonderpädagogischem Förderbedarf durch eine erwachsene Person im Unterricht an einer Regelschule oder an einer Förderschule unterstützt/begleitet wird, um – trotz des sonderpädagogischen Förderbedarfs – dem Unterricht so folgen zu können, dass die erwarteten Lernziele erreicht werden können.

Es handelt sich also um eine Unterstützungs-/Ausgleichleistung: Da zuvorderst die Regelschule(n), zu einem nicht unerheblichen Teil aber auch die Förderschulen, strukturell überwiegend so  aufgestellt sind, dass nicht alle Schüler*innen am jeweiligen Unterricht teilnehmen können, ohne dass der unterrichtliche Takt aus seinem Rhythmus gebracht würde, kommen Schulbegleiter*innen zum Ausgleich dieser Differenz zum Einsatz.

Hier wird bereits deutlich: Schulbegleitung sowie die sich um den Begriff rankenden Fragestellungen können optimistisch als Übergangsphänomen(e) begriffen werden, die  bis zur Ermöglichung schulischer Inklusion (meint hier stark abstrahiert: Zugang zu bzw. Teilhabe an Bildung für alle Schülerinnen und Schüler unabhängig davon, ob eine Behinderung vorliegt oder nicht) und das heißt auch: bis zu weitreichenden strukturellen Veränderungen innerhalb des Schulsystems, nach Klärung drängen (s. Poolmodell ).

Der Themenkomplex um die Schulbegleitung ist vielschichtig und beinhaltet eine Fülle kontrovers diskutierter Aspekte zur Finanzierung, Organisation, Ausbildung und Aufgaben von Schulbegleiter*innen sowie Umsetzung von Schulbegleitung. Der aktuelle Diskussionsstand zum Thema Schulbegleitung kann daher nur stark verkürzt skizziert werden.

Bezeichnung der Leistung:

Momentan werden sowohl in Forschung als auch Praxis eine Vielzahl von Begrifflichkeiten verwendet, wie z.B. Integrationshelfer*in, Schulassistent*in oder auch Schulhelfer*in, was die Etablierung und Professionalisierung dieses Aufgabenfeldes an der Schule bislang noch erschwert (vgl. Demmer/Heinrich/Lübeck 2017, S. 33-36). In Anlehnung an Demmer/Heinrich/Lübeck, die die Expertise zu Funktion und Funktionalität von Schulbegleitung im inklusiven Schulsystem im Auftrag des AFET erstellt haben, wird hier der Begriff Schulbegleitung verwendet, da, „parallel zu den Unterbestimmtheiten im Feld, in ihm sowohl die Spezifik der Unterstützungsleistung ungeklärt bleibt (Worin besteht die Begleitung?) als auch die Frage, ob primär die Schule in ihrer Funktionserfüllung begleitet wird oder aber die Schülerinnen und Schüler selbst.“ (Demmer/Heinrich/Lübeck 2017, S. 14).

Ziele der Leistung:

Teilnahme, besser: Teilhabe am Unterricht in einer Förder- oder Regelschule für Schülerinnen und Schüler mit sonderpädagogischem Förderbedarf.

Die so formulierte Zielbestimmung ist maximal unterkomplex, d.h. abstrahiert von den Unterstützungserfordernissen, Ansprüchen, Anforderungen, Erwartungen und Hoffnungen im jeweiligen Einzelfall. Eine konkrete Auflistung oder Definition der mit Schulbegleitung verbundenen Ziele sprengt den Rahmen des hier Darstellbaren.

Finanzierung der Leistung:

Grundsätzlich zuständig:

  • bei Kindern und Jugendlichen mit (drohender) seelischer Behinderung nach § 35 a SGB VIII – das Jugendamt in seiner Funktion als Rehabilitationsträger Träger
  • bei allen anderen Kindern und Jugendlichen mit Behinderung nach § 53 und § 54 SGB XII – der Eingliederungshilfeträger, z.B. Sozialamt

Im Detail:

In den einzelnen Bundesländern sind die Zuständigkeiten – wer ist örtlicher bzw. überörtlicher Träger der Eingliederungshilfe? – recht unterschiedlich geregelt. Für die Beantragung einer Schulbegleitung wird dennoch regelmäßig  ein durch die Sorgeberechtigten gestellter Antrag, eine ärztliche Stellungnahme zur Behinderung des Kindes und Feststellung seiner Zugehörigkeit zum Personenkreis nach § 53 SGB XII sowie ein Bericht der Schule, weshalb die Unterstützung per Schulbegleitung im Einzelfall notwendig ist, benötigt.

Schulbegleitung ist eine sog. privilegierte Leistung zur Teilhabe,  sie wird unabhängig vom Einkommen und Vermögen einer Familie finanziert- die Eltern müssen sich nicht an den Kosten beteiligen.

Für die Finanzierung weiterer/anderer Hilfsmittel zur Kommunikation oder Mobilität ist die  gesetzliche Krankenkasse (GKV) zuständig.

Die Finanzierung des Gehalts der Schulbegleiter*innen ist ebenfalls äußerst divers geregelt und neben landes- bzw. kommunalspezifischen Regelungen auch abhängig vom jeweiligen Arbeitgebermodell. Schulbegleiter*innen können entweder als Assistenzleistung über das persönliche Budget des anspruchsberechtigten Kindes  bei den Eltern des Kindes/Jugendlichen, oder beim Schulträger oder – als dritte Option – bei freien Trägern der Behindertenhilfe oder der Kinder- und Jugendhilfe angestellt sein. (vgl. Demmer, Heinrich, Lübke 2017, S. 18 und Kap. 5).

Herausforderungen und offene Fragen:

Um den Themenkomplex Schulbegleitung rankt sich eine Reihe von offenen und/oder sehr kontrovers diskutierten Fragen. Zuvorderst ist die Tatsache zu benennen, dass Schulbegleitungen keine „Dauerlösung“ für die Beseitigung struktureller Teilhabebarrieren im bundesdeutschen Schulsystem darstellen können. Hinzu kommt der hohe Aufwand für die Sorgeberechtigten zur Beantragung der Leistung beim Jugendamt oder dem Sozialamt; lange und komplexe Verfahren können nicht nur aufgrund einer potenziellen Differenz zwischen Bewilligung der Leistung und Schuljahresbeginn  zu Lasten des Kindes gehen, welches die Schulbegleitung benötigt (vgl. dazu auch Demmer/Heinrich/Lübeck 2017, Fegert/Ziegenhain/Meysen/Schönecker 2016) . Darüber hinaus kann auch das Verfahren selbst von den Kindern als stigmatisierend erlebt werden. Dass es außerdem eine deutliche Vereinfachung für leistungsberechtigte Kinder und ihre Sorgeberechtigten darstellen könnte, wenn nur ein Rehabilitationsträger für alle Kinder und Jugendlichen für die Bewilligung dieser Leistung zuständig wäre, soll an dieser Stelle nur am Rande erwähnt werden.

Weiterhin stellen sich beim Thema Schulbegleitung eine Reihe von Fragen, die auf den Bereich „Schulentwicklung als Organisationsentwicklung“ verweisen.

Dass Schulbegleitung ihrer Form und ihrem Inhalt nach in nahezu  jedem Bundesland, vielleicht gar an jeder Schule, etwas  anderes bedeutet, hängt nicht nur mit den heterogenen Bedarfslagen der Schülerschaft oder der verschieden gelagerten strukturellen Ausstattung (Personal, Finanzen, Raum, Zeit) der jeweiligen Einzelschule zusammen. Vielmehr sind beispielsweise Fragen zur Art und zum Umfang der Qualifizierung von Schulbegleiter*innen  nur dann zu beantworten, wenn Klarheit herrscht, welche Aufgaben und Ziele mit der Installation einer Schulbegleitung verbunden werden. Dazu wiederum wäre eine feste kooperative Einbindung der Schulbegleitungen in das Lehrerkollegium eine hilfreiche Bedingung: Anforderungen, Hoffnungen, Wünsche aber auch Bedarfe der Lehrkräfte gegenüber den Schulbegleitungen als auch umgekehrt könnten kollektiv geklärt und die gemeinsame Arbeit im Klassenzimmer auf eine belastbare Grundlage gestellt werden, die dann eher aufgrund der Bedarfslagen einzelner Schüler*innen in regelmäßigen Abständen überprüft werden müssten anstatt aufgrund von ungünstigen Kooperationsbeziehungen zwischen Schulbegleitungen und Lehrkräften und weiterem pädagogisch tätigen Personal an der Schule (z.B. Sozialarbeiter, Erzieher).

Auch mit Blick auf die weitere Professionalisierung der Schulbegleitung und ihre zielführende Installation an der Einzelschule wäre der Ausbau tragfähiger Kooperationsbeziehungen zwischen Leistungsträger (Jugendamt, Sozialamt), Leistungserbringer (z.B. über freien Träger) und Schule eine wünschenswerte Entwicklungslinie.

Nicht zuletzt sei mit Blick auf die Herausforderungen bezüglich Finanzierung und Umsetzung von Schulbegleitung auf das sog. Poolmodell/die Poollösung hingewiesen, um dem „Wildwuchs“ von Schulbegleitungen in der kommunalen Praxis entgegenzuwirken.

Literaturangaben: 

Demmer, Christine; Heinrich, Martin; Lübeck, Anika (2017): Funktion und Funktionalität von Schulbegleitung im inklusiven Schulsystem!? Expertise im Auftrag des AFET. AFET-Sonderveröffentlichung Nr. 11/2017, Hannover, 130S.

Deutscher Landkreistag/Deutscher Städtetag/BAGüS Juni 2019: Orientierungshilfe zur Schulbegleitung unter besonderer Berücksichtigung der Bildung von Schulbegleiterpools. 14 S.

Sasse, Ada; Kracke, Bärbel; Czempiel, Stefanie; Sommer, Sabine (2019): Schulische Inklusion in der Kommune. München: Waxmann.

Fegert, Jörg M.; Ziegenhain, Ute; Meysen, Thomas; Schönecker, Lydia (2016): Schulbegleitung als Beitrag zur Inklusion. Bestandsaufnahme und Rechtsexpertise. Schriftenreihe der Baden-Württemberg Stiftung Nr. 81. Unter: https://www.bwstiftung.de/uploads/tx_news/Schulbegleiter_web.pdf , zuletzt abgerufen: 09.08.2019

Weiterführende Informationen: 

Ausführlicher zur Komplexität und Problematik der mit Schulbegleitung verbundenen Ziele s.:

Demmer, Christine; Heinrich, Martin; Lübeck, Anika (2017): Funktion und Funktionalität von Schulbegleitung im inklusiven Schulsystem!? Expertise im Auftrag des AFET. AFET-Sonderveröffentlichung Nr. 11/2017, Hannover, Kap.3.

Dworschak, W. (2014): Schulbegleitung, die richtige Unterstützungsmaßnahme für Schüler mit (geistiger) Behinderung zur Realisierung ihres Bildungsrechts an der allgemeinen Schule? In: Kopp, B; Martschinke, S.; Munser-Kiefer, M.; et al. (Hrsg.): Individuelle Förderung und Lernen in der Gemeinschaft. Wiesbaden: Springer VS, S. 214-217.

Dworschak, W. (2014): Zur Bedeutung individueller Merkmale im Hinblick auf den Erhalt einer Schulbegleitung. Eine empirische Analyse im Förderschwerpunkt geistige Entwicklung an bayerischen Förderschulen. In: Empirische Sonderpädagogik 6, Nr. 1, S. 56-72.

Lindmeier, B.; Polleschner, S. (2014): Schulassistenz – ein Beitrag zu einer inklusiven Schule oder zur Verfestigung nicht inklusiver Schulstrukturen? In: Gemeinsam Leben 22, S. 195-205.

Zur programmatischen Verortung von Zielen der Schulbegleitung:

Freie Wohlfahrtspflege NRW (2014): Schulbegleitung – ein wichtiger Baustein auf dem Weg zu einem inklusiven Schulsystem. Unter: https://www.freiewohlfahrtspflege-nrw.de/fileadmin/user_data/35-helfen-und-gewinnen/download/Broschuere_Schulbegleitung_Auflage2.pdf , zuletzt abgerufen: 09.08.2019