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Rehabilitationsträger

Rehabilitationsträger  sind Institutionen, die Maßnahmen zur medizinischen, sozialen oder beruflichen Rehabilitation finanzieren und/oder selbst durchführen. Das können Träger der Eingliederungshilfe (z.B. Kommune: Sozialamt, Land: Landessozialamt) als auch die öffentlichen Träger der Kinder- und Jugendhilfe (Jugendämter und Landesjugendämter) sein. Mit dem Inkrafttreten des BTHG wird nun zwischen dem leistenden und ggf. weiteren, sog. beteiligten Rehabilitationsträgern unterschieden.

Als leistender  Rehabilitationsträger wird derjenige Rehabilitationsträger bezeichnet, bei dem als erstes ein Antrag auf Leistungen zur Teilhabe gestellt wurde und der nach der Zuständigkeitsprüfung (§ 14 Abs. 1 SGB IX) für eine oder mehrere in Betracht kommende Teilhabeleistungen Rehabilitationsträger sein kann. Nur wenn der sog. erstangegangene Rehabilitationsträger für keine der in Betracht zu ziehenden Teilhabeleistungen zuständig sein kann, darf der Antrag an einen anderen Rehabilitationsträger weitergeleitet werden, der nach erneuter Zuständigkeitsprüfung ggf. zum leistenden Rehabilitationsträger wird. Die Zuständigkeitsprüfung richtet sich nach dem jeweils betroffenen Leistungsgesetz (§ 7 Abs. 1 SGB IX).

Der örtliche (ggf. überörtliche) Träger der Kinder- und Jugendhilfe kann für die Bereiche der medizinischen Rehabilitation, Teilhabe am Arbeitsleben, Teilhabe an Bildung und sozialen Teilhabe als leistender Rehabilitationsträger nach § 35a SGB VIII bzw. § 41 in Verbindung mit § 35a SGB VIII zuständig sein. Lediglich die Leistungsgruppe „unterhaltssichernde und andere ergänzende Leistungen“ fällt nicht in den Verantwortungsbereich der öffentlichen Kinder- und Jugendhilfe. Das bedeutet auch, dass ein „Antragsplitting“, also die Verteilung von Teilhabeleistungen auf mehrere Rehabilitationsträger, für die Kinder- und Jugendhilfe nur dann in Betracht kommt, wenn zusätzlich Teilhabeleistungen aus der Leistungsgruppe „unterhaltssichernde und ergänzende Leistungen“ beantragt sind.

Aufgaben leistender Rehabilitationsträger:

  • Feststellung des Teilhabebedarfs (Rehabilitationsbedarfs),
  • Gewährung der Leistung,
  • Verfassen des Teilhabeplans,
  • ggf. Durchführung der Teilhabeplankonferenz bzw. des Teilhabeplanverfahrens,
  • Koordinierung des Teilhabeplanverfahrens bei mehreren Rehabilitationsträgern (vgl. § 15 ff. SGB IX).

Aufgaben beteiligter Rehabilitationsträger:

  • Barrierefreie Bereitstellung von Teilhabeleistungen (gilt für alle Rehabilitationsträger).

Ziel der Änderungen ist die Vereinfachung des Zugangs zu Teilhabeleistungen für anspruchsberechtigte Personen; gerade und insbesondere dann, wenn komplexe Bedarfslagen vorliegen.  Die Zusammenarbeit unter den verschiedenen Rehabilitationsträgern soll koordiniert, also effizienter erfolgen und die Bedarfe umfassend ermittelt werden, um Leistungen möglichst nahtlos für die anspruchsberechtigten Personen zu erbringen.

Nach Einschätzung der Bundesarbeitsgemeinschaft der Landesjugendämter stellt die in § 14 SGB IX normierte Frist von 14 Tagen, innerhalb derer die Zuständigkeitsprüfung zu erfolgen hat, die Träger der öffentlichen Kinder-und Jugendhilfe vor „unüberwindbare praktische Probleme“ (Arbeitshilfe „Anforderungen an die Jugendämter durch das Bundesteilhabegesetz“ der BA Landesjugendämter 2019, S. 15). Als Begründung wird die Notwendigkeit zur Einholung einer ärztlichen/psychotherapeutischen Stellungnahme durch die Jugendämter zur Klärung der sachlichen Zuständigkeit bei Fällen nach § 35a SGB VIII angeführt (vgl. Arbeitshilfe „Anforderungen an die Jugendämter durch das Bundesteilhabegesetz“ der BA Landesjugendämter 2019, S. 16) . Diese beanspruche in der Regel deutlich mehr Zeit als die vorgeschriebene 14 Tage-Frist, was auf eine bundesweite Versorgungslücke bei der psycho-therapeutischen Diagnostik für Kinder und Jugendliche zurückgeführt wird. Dem hier heraus resultierenden Problem einer fristgerechten Zuständigkeitsklärung für die Jugendämter könne auch über „regelhafte Kooperationsvereinbarungen mit entsprechenden Ärzten oder Kliniken oder entsprechenden Absprachen mit dem Gesundheitsamt nur bedingt“ entgegengewirkt werden (Arbeitshilfe „Anforderungen an die Jugendämter durch das Bundesteilhabegesetz“ der BA Landesjugendämter 2019, S. 16).

Hier zeigt sich einerseits die Notwendigkeit einer Zuständigkeitsklärung respektive die Notwendigkeit eines inklusiven SGB VIII, um übermäßige Wartezeiten nach der Antragstellung für die Leistungsberechtigten als auch Verschiebebahnhöfe zwischen Jugendhilfe und Eingliederungshilfe in der Zukunft zu vermeiden. Darüber hinaus wird deutlich, dass ein weitgreifender Systemwechsel, wie er durch das BTHG bereits angeschoben wurde, vieler weiterer Entwicklungsschritte bedarf, bevor er im Sinne der Adressateninteressen in der Praxis umgesetzt werden kann.

Die durch das BTHG veränderten rechtlichen Vorgaben für Rehabilitationsträger könnten zukünftig zu einer veränderten Haltung der Rehabilitationsträger untereinander führen. Beschränkte sich die Kommunikation unter ihnen zuvor im Wesentlichen auf die Abgabe von Fällen bei Nicht-Zuständigkeit, sind sie nun gefordert, Kommunikationsstrukturen und Arbeitsabläufe im Sinne der Leistungsberechtigten neu zu organisieren.

Literaturangaben: 

Anforderungen an die Jugendämter durch das Bundesteilhabegesetz. Arbeitshilfe der Bundesarbeitsgemeinschaft der Landesjugendämter Nr. 140, 2019. Quelle: http://www.bagljae.de/content/empfehlungen/

Dahm, Sabine; Kestel, Oliver (2019): Auswirkungen des Bundesteilhabegesetzes (BTHG) auf das Verfahren bei Antrag gemäß § 35a SGB VIII. In: ZKJ- Zeitschrift für Kindschaftsrecht und Jugendhilfe, 14. Jg., Nr. 5, S. 168-173.

Rössel, Max (2019): Das Bundesteilhabegesetz und die Kinder- und Jugendhilfe – gelingt der Umsetzungsprozess? In: NDV- Nachrichtendienst des Deutschen Vereins für öffentliche und private Fürsorge e.V., 99. Jg., Nr. 7, S. 299-302.