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Poolmodell

Mit dem Pflege-Weiterentwicklungsgesetz wurde zum 1. August 2008 das sogenannte Poolen von Leistungen eingeführt (§ 36 Abs. 1 SGB XI). Dabei können mehrere pflegebedürftige Menschen Leistungen zur Pflege, zur hauswirtschaftlichen Versorgung oder andere Betreuungsleistungen gemeinsam als Sachleistung in Anspruch nehmen.  Ziel ist es, Zeit und Geld über eine effizientere Gestaltung dieser Unterstützungsleistungen zu sparen. Das Poolen von Leistungen kann dann in Frage kommen, wenn mehrere pflegebedürftige Menschen räumlich sehr nah beieinander leben. 

Siehe dazu: https://www.curendo.de/pflege/poolen-nehmen-sie-betreuungsleistungen-gemeinsam-in-anspruch/

Die Idee, einzelfallbezogene Hilfen der Eingliederungshilfe über ein Poolmodell  zu organisieren und zu regulieren, erwächst auch in der Kinder- und Jugendhilfe/Eingliederungshilfe aus finanziellen und strukturell-organisatorischen Erwägungen, aber insbesondere aus dem Willen in einer sehr breiten Fachöffentlichkeit und in der kommunalen Praxis, verlässliche Rahmenbedingungen zu schaffen, unter denen eine inklusive Kinder- und Jugendhilfe möglich wird.

Insbesondere im Bereich der schulischen Inklusion (s. Schulbegleitung) ist ein deutlicher Anstieg der Inanspruchnahme von Schulbegleitungen zu verzeichnen – mit den daran hängenden wenig inklusionsorientierten und schwer steuerbaren Hilfen sowie steigenden Kosten – und drängen darüber hinaus, die sich aus dem „Wildwuchs Schulbegleitung“ ergebenden vielen offenen Fragen zu einer gangbaren Realisierung von Inklusion im Schulsystem nach Klärung.

Das Poolmodell wird vielerorts als realistische und – im Vergleich zur aktuellen Umsetzung von Schulbegleitung – bessere Lösung favorisiert. Bei einer Poollösung im Feld der Schulbegleitung würde die momentan gängige, aber in vielerlei Hinsicht zu Irritationen und Friktionen zwischen Lehrkräften, Schulbegleitungen und Schüler*innen führende 1 zu 1 Betreuung  aufgegeben. Aus juristischer Perspektive impliziert die Poollösung auch den Wegfall des Individualrechts aus § 54 SGB XII (vgl. Demmer/Heinrich/Lübeck 2017, S. 95  in Bezug auf Eberhard 2015). Stattdessen wäre an der jeweiligen Schule ein „Pool“ von Schulbegleiter*innen installiert, auf den dann flexibel für verschiedene Kinder mit unterschiedlichen (sonderpädagogischen) Förderungsbedarfen zugegriffen werden könnte.

Die damit verbundenen Hoffnungen: Effizientere und inklusiv gestaltete Hilfen sowie ein effizienterer Einsatz der finanziellen Mittel für den Eingliederungs- und Jugendhilfehaushalt und flexibel einsetzbare Unterstützung für Kinder mit (sonderpädagogischem) Förderbedarf– insbesondere auch zur Teilhabe an schulischen Ganztagsangeboten am Nachmittag, vereinfachte Organisation und Durchführung von Unterricht aufgrund der Reduktion von anwesenden Erwachsenen im Klassenzimmer und vereinfachter Aufbau von Kooperationsbeziehungen zwischen Lehrkräften und Schulbegleitungen. In der Umsetzung gibt es bundesweit bereits zahlreiche Erfolgsmodelle, deren Evaluierung noch aussteht.

Außerdem wurde im Zuge der Entwicklung des BTHG’s über das Poolen von Assistenzleistungen für Menschen mit Behinderung debattiert. Assistenzen dienen vor allem der Ermöglichung einer selbstbestimmten Lebensführung im Alltag. Seit dem 01.01.2018 (Reformstufe 2 BTHG) besteht ein Rechtsanspruch auf Assistenzleistungen, die beantragt werden müssen und ggf. auch über das persönliche Budget finanziert bzw. abgerechnet werden können. Im Rahmen des Teilhabeplanverfahrens kann die Gestaltung der Assistenzleistungen bezüglich Ablauf, Ort und Zeitpunkt der Inanspruchnahme ausgewählt bzw. verhandelt werden.  Einzig Menschen mit Behinderungen, die in Wohneinrichtungen der Behindertenhilfe leben, können nicht selbstbestimmt über die Inanspruchnahme von Assistenzleistungen entscheiden: Die Leistungen können auch gegen den Willen des Anspruchsberechtigten „gepoolt“ werden und müssen dann mit weiteren Leistungsberechtigten im näheren Umfeld (z.B. die gleiche Wohneinrichtung) geteilt werden, wenn der Leistungsträger das für zumutbar hält.

Literaturangaben: 

Demmer, Christine; Heinrich, Martin; Lübeck, Anika (2017): Funktion und Funktionalität von Schulbegleitung im inklusiven Schulsystem!? Expertise im Auftrag des AFET. AFET-Sonderveröffentlichung Nr. 11/2017, Hannover, 130S.

 

Weiterführend zu Assistenzleitungen und Poolmodell im BTHG:

https://umsetzungsbegleitung-bthg.de/bthg-kompass/bk-soziale-teilhabe/assistenzleistungen/

https://www.betanet.de/assistenzleistungen.html